Selbstorganisation organisieren
Meine Überzeugung: Selbstorganisation muss organisiert werden – und zwar professionell, im Verständnis des Zusammenspiels bewusster und unbewusster Motive!
Verantwortungsdiffusion aufgrund unorganisierter Selbstorganisation
Manchmal gibt es auch Spielregeln, aber keinen Schiedsrichter, weil man oft naiver weise glaubt, alle Menschen hätten jederzeit den Willen und die Fähigkeit, sich zum Nutzen des "Ganzen" selbst zu organisieren – Verantwortungsdiffusion, Selbstoptimierungsmentalität und Silo-Denken sind oft die Folgen. Gerade wenn man schon etablierte Organisationen "agilisieren" will, ist diese Erkenntnis ein zentraler Faktor!
Fussballspiel als metaphorisches Beispiel für organisierte Selbstorganisation
Wie wird Komplexität beim Fußball gemanagt? Nicht indem der Trainer mitspielt und jeden Spielzug kontrolliert und "absegnen" lässt, sondern indem er die Mannschaft optimal vorbereitet und begleitet – und das nicht nur in Bezug auf die fußballerischen Kernkompetenzen, sondern auch in Bezug auf die Fähigkeit zur optimal flexiblen Konfiguration, die mentale Komponente und die gesamte Einstellung der Mannschaft.
Mehr
Wie agiert und entscheidet eine erfolgreiche Mannschaft? Etwa indem der Trainer, der am Rand des Fußballfelds steht, bei jedem Schritt eines Fußballers die explizite Erlaubnis erteilt, in eine bestimmte Richtung zu rennen? Indem er die Anträge der Fußballspieler auf weitere Schritte ausführlich prüft und diese dann schließlich in einem geordneten Verfahren freigibt? Wohl kaum. Eine funktionierende Fußballmannschaft ist dann erfolgreich, wenn jeder Spieler selbst aufmerksam mitdenkt und selbst situativ und autonom entscheidet – im Sinne des Ganzen.
Das heißt aber nicht, dass ein Trainer die Spieler sich selbst überlässt, im Gegenteil: Ein gezieltes Training, das einzelne Techniken einübt und zu Szenarien verkettet sowie mit mentalen und reellen Simulationen arbeitet, ist dabei ein wichtiges Element für den Erfolg. Das Training wird akribisch geplant. Das Motto heißt: gezielt und hart trainieren, intensiv auf das Match vorbereiten und dann – wirklich erst dann – loslassen und den Spielern vertrauen. Zwar gibt es eine grundsätzliche räumliche Ordnung: Sturm, Mittelfeld, Verteidigung und Torwart. Es gibt auch Spielzüge und Muster wie „Dreierkette oder Viererkette“ etc., die für Orientierung sorgen. Dennoch: Die Spieler agieren innerhalb des Rahmens und teils um diesen Rahmen herum sehr flexibel, wie Manuel Neuer als Torwart bei der Weltmeisterschaft 2014 gezeigt hat. Neuer hat die Torwartrolle gewissermaßen neu interpretiert: Er versteht sich als einer von elf Spielern. Selbstverständlich braucht man einen Schiedsrichter, der bei gröberen Fouls auch Durchsetzungsmacht hat und die rote Karte zeigen kann. Aber der Schiedsrichter spielt nicht mit. Die Präsenz des Schiedsrichters, dessen Klarheit, mentale Entschlossenheit, körperliche Präsenz und sowie das Wissen aller Beteiligter um Sanktionsmöglichkeiten allein bewirken meist schon entsprechende Selbstorganisationsmechanismen und lenken den Fokus auf die Spielregeln. Der Spielfluss steht im Vordergrund: Die gelbe und rote Karte bleiben Ausnahmeaktionen und der Videobeweis wird nur in speziellen Fällen angefordert.
DIE zentrale Managementaufgabe: Systeme lenkungsfähig machen!
Wirksame Selbstorganisation ist also dann möglich, wenn "Systeme" optimal konfiguriert und gemanagt werden. Dazu gehört neben der optimalen Aufstellung und Etablierung wirksamer Spielregeln die Erkenntnis, dass permanente, aktionistische Eingriffe ins System die Selbstorganisation blockieren können. Häufiger Grund ist die Angst vor Kontrollverlust oder auch die Aufforderung, als neuer Manager schnell wirksam zu sein! Das Problem: Der Grashalm wächst nicht schneller, wenn man dauernd daran zieht! Je mehr im Detail geregelt wird, je mehr Bürokratie und Formalismus um sich greifen, je mehr Hierarchieebenen involviert sind – umso langsamer und unflexibler ist das Unternehmen in seinen Entscheidungen. Aus dem Fußball können wir lernen: Der Trainer und der Schiedsrichter greifen nur selektiv ein!